Plein Air

Naturmalerei ist manchmal ein bisschen paradox, weil ich all das, was da draußen so Spannendes vor sich geht, zeitversetzt und fernab im Atelier auf die Leinwand bringe. Insbesondere bei großen Formaten oder einem hohen Grad an Detailgenauigkeit verbringe ich dann lange Abende im Haus statt in der Natur selbst.

Es geht aber auch anders – wenn man bereit ist, ein paar Herausforderungen anzunehmen, die da draußen auf einen warten. Wobei eben gerade nichts und niemand auf einen wartet. Erst recht nicht das Licht. Und von lebenden Tieren reden wir lieber gar nicht erst, es sei denn, ein kunstinteressierter Schneckenfreund liest mit. Auch eine noch so lethargisch wirkende Kuh entwickelt nämlich eine gewisse Dynamik, wenn es vorteilhaft wäre, sie würde mal einen Moment länger stillhalten…

Mit der passenden Herangehensweise ist natürlich alles möglich, aber meine Bilder im Freien – also das, was man als Plein Air oder „en plein air“ bezeichnet, beschränken sich bislang auf die Darstellung von Landschaftsausschnitten. Da mein Herz für die Abendstunden mit ihrem goldenen Licht schlägt, habe ich genug damit zu tun, mit den Veränderungen um mich herum Schritt zu halten. Neben den wandernden Schatten verschieben sich schließlich auch die Farben, Tonwerte und Kontraste unaufhaltsam.

So sieht das Bild aus, wenn ich die ersten Farbblöcke gesetzt habe.

Ich beginne immer mit den dunkelsten Tonwerten. Eine echte Vorzeichnung gibt es nicht – mit dem Pinsel ziehe ich nur grob ein paar Linien ein, um die Szene mit Horizont und markanten Punkten festzulegen. Dabei rücke ich einzelne Objekte oft dichter zusammen, wenn es der Komposition gut tut.

Bei den Farben für die Schatten ist Überwindung angesagt. Selten ist sehr dunkel schon zu dunkel.

Wenn es darum geht, die Farbtöne für die Schattenpartien zu bestimmen und anzumischen, darf eine meiner Farben unter keinen Umständen zum Einsatz kommen: Weiß. Auch wenn die Verlockung immer mal wieder da ist, etwas damit aufzuhellen – Weiß bleibt in der Tube! Schatten brauchen Tiefe, damit die Sonne scheint – und die verschleiernde Wirkung weißer Farbe habe ich lange unterschätzt. (Wer an dieser Stelle gerade 20 Jahre an Lebenserfahrung eingespart hat, darf sich gerne per Kommentar bei mir bedanken.)

Wie bei allen meinen Ölgemälden mische ich meine Farben übrigens auch draußen ausschließlich aus den drei Grundfarben Kadmiumrot, Primärgelb und Primärblau. Als kleinen Luxus habe ich noch eine Tube Kadmiumorangeton im Koffer und natürlich Titanweiß für die „erlaubten“ Bereiche.

Mit den hellen Tonwerten kommt das Bild in die Komfortzone. Die annähernd passende Perspektive stelle ich nur für das Foto her – zum Malen wäre ich so zu weit von der Staffelei entfernt.

Die mittlere Phase macht mir am meisten Spaß. Da bekommt das Bild richtig drive, weil plötzlich alles ineinandergreift. Spannend finde ich immer, wie sehr sich die Farben gegenseitig beeinflussen. Die Schattenbereiche vom Anfang habe ich während der ganzen Zeit nicht verändert, sie wirken jetzt aber ganz anders und stimmig.

Zeit für ein paar mehr Details. Die Schatten auf der Wiese haben sich übrigens längst verschoben.

Um mich herum hat sich allerdings schon Einiges getan. Die Schatten auf der Wiese sind länger geworden und wenn ich mir mit den letzten Schritten jetzt noch zu viel Zeit lasse, stimmen auch die Farben nicht mehr überein. Tatsächlich habe ich bereits ein wenig mehr Wärme in die Farben der Baumkronen gebracht, als es noch vor einer halben Stunde nötig gewesen wäre.

So etwas jetzt noch in anderen Bildteilen weiter korrigieren zu wollen, könnte fatal enden. Da konzentriere ich mich lieber darauf, das Ganze nicht doch noch durch zu viele Details zu überladen und suche den passenden Moment zum Ausstieg, denn auch das ist gar nicht so leicht. Hier seht Ihr das fertige Bild:


Bei schwindendem Licht

Bei dem nächsten Projekt sieht man ganz gut, dass mir die Abenddämmerung irgendwann sagt, wann Schluss ist:

Auch am Beispiel unten wird deutlich: Am Anfang braucht man etwas Zuversicht. Je weiter man sich dann den hellen Farbbereichen des Bildes nähert, desto mehr fügt sich alles.

2 Kommentare zu „Plein Air“

  1. Sehr interessant, die Entwicklung und das Entstehen eines Bildes zu beobachten.
    Im Gegensatz zur Fotografie hat der Maler die Möglichkeit, das Wichtige hervorzuheben.

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