„Beten scheef hett Gott leev“

Nicht ganz von allein bin ich darauf gekommen, Gebäude zu zeichnen. Die Wünsche meines Umfeldes mussten da ein bisschen nachhelfen. Da war zum Beispiel der alte Melkschuppen meiner Nachbarn, zu dem sie im Sommer jeden Morgen und jeden Abend mit dem kleinen Trecker hinaus ins Moor führen, um ihre Kühe zu melken. Diese Zeiten sind seit dem Bau des Boxenlaufstalls seit Jahrzehnten vorbei. Ein Ölbild vom Melkschuppen und seiner charakteristischen Kombination aus Ziegel- und Holzwand hängt nun als Erinnerung in ihrer Stube.

Eine ehemalige Försterei und eine ganze Hofansicht folgten als weitere Projekte – und auch ein Lieblingshochsitz am Waldrand war in frühen Jahren mal dabei. Alle diese Arbeiten habe ich mit Ölfarbe auf Leinwand ausgeführt. Erst mit meiner späten Entdeckung der Pastellkreide entstanden dann auch Zeichnungen von Gebäuden und anderen Objekten – was sich für diese Motive mit oftmals vielen Details wirklich anbietet.

Die Ansitzleiter am Rande des gänzlich von Wald umschlossenen Ackers hat sicher schon so manchen Anblick geboten – vorausgesetzt, man war zur richtigen Zeit dort. Das abgängige Hordengatter um die Kultur im Wald hat seine Aufgabe längst hinter sich.

Die Lindhorsthütte im Schnee

In der Regel entsteht der Wunsch nach einem Bild von einem bestimmten Ort aufgrund der schönen Erinnerungen, die man daran hat. Ob auch Unbeteiligte dasselbe Motiv für ein Bild auswählen würden, ist also nicht immer gesagt. Manchmal aber treffen zwei günstige Eigenschaften eines Motivs zusammen: Charme des Objektes und dessen idyllische Lage. Bei der alten Jagdhütte in der „Lindhorst“ ist das der Fall.

Bei diesem Motiv habe ich bewusst auf den bei uns im Flachland raren Schnee im Winter gewartet, auch wenn der lauschige Ort im Sommer ebenfalls seinen Reiz hat. Bei Schnee aber, werden anstelle des üppigen und für das Auge undurchdringlichen Grüns plötzlich Strukturen von Stämmen, Ästen und Zaunelementen sichtbar, auf die ich im Sommer in meiner Zeichnung verzichten müsste. So übe ich mich zunächst also einige Monate in Geduld.

Im Licht eines kurzen Februartages stapfe ich schließlich durch den weißen Wald und bin glücklich, dass ich mich dafür entschieden habe, das Auto schon am Waldeingang abgestellt zu haben. Der lange Fußweg in kalter Luft ist wunderbar. In den Kiefernkronen über mir haben sich die Kolkraben offenbar einiges mitzuteilen und in dem ansonsten stillen Winterwald klopft ein Buntspecht emsig nach ein paar Proteinen unter der Baumrinde. Auch der Wolf zieht hier regelmäßig seine Fährte.

Heute hält die Natur aber eine andere Überraschung für mich bereit. Unter dem Schirm aus Altkiefern zieht ein Rudel Rotwild links von mir durch den Bestand. Natürlich haben mich die Tiere ebenfalls bemerkt, aber durch die vielen kleinen Äste und Zweige im Unterstand und den Abstand zu mir fühlen sie sich wohl halbwegs sicher. Sie ändern ihre Richtung und fallen in leichten Troll, schenken mir aber noch einige stimmungsvolle Sekunden der Beobachtung. Dank guter Isolation sind ihre Rücken weiß gepudert vom herunterrieselnden Schnee.

An der Hütte angekommen prüfe ich von allen Seiten, welche Ansicht ein ausdrucksstarkes Motiv bietet. Der offene Blick von vorn ist mir zu langweilig. Schräg vom gegenüberliegenden Wegesrand aus gefällt er mir besser. Von hier sieht man auch die an die Hüttenwand gehängte Holzleiter. Wenn ich in die Hocke gehe, ragen Äste ins Blickfeld – das hat seinen Reiz, finde ich. Mein Entschluss steht. Genau so, etwas aus der Distanz, will ich die in den Wald gebettete Lindhorsthütte zeigen.

Schnee betont die vorhandenen Strukturen und verzaubert die Lindhorsthütte auf eine ganz eigene Art und Weise.

Gerade Linien, schiefe Striche

Ich gebe es zu: Bei der Hütte im Wald hat die Natur drumherum von mir einen Oskar als bester Nebendarsteller erhalten. Das eine war mir so wichtig wie das andere. Bei meinem neuen Projekt liegen die Karten anders. Hier geht es darum, ehrwürdige Gebäude in den absoluten Fokus zu rücken. Viele gerade Linien und geometrische Formen erwarten mich. Trotzdem will ich auch jetzt keine technische Zeichnung abliefern.

Ein imposantes Forstamtsgebäude mit Holzverschalung. Mein heimlicher Hauptdarsteller ist aber das kleine Nebengebäude mit Fachwerk, alten Dachziegeln und dem groben Kopfsteinpflaster davor.

Auch wenn die Hauswände richtig fluchten sollen – ein Lineal lege ich nur hin und wieder zur Kontrolle an. Die Striche mit schwarzer Pastellkreide setze ich alle freihand. In der nachstehenden Galerie zeige ich Dir, wie aus zarten Linien nach und nach die definierten Bereiche herausgearbeitet werden. Dunkler geht es schließlich immer – ein späteres Aufhellen ist schwieriger…

Auch die drei weiteren Gebäude dieser Serie sind nun ebenfalls fertig.

Tatsächlich empfinde ich bei Gebäudezeichnungen dieser Art das Maß der Geradlinigkeit und der Details als die schwierigste Aufgabe – neben der Festlegung auf die Komposition und den Bildausschnitt. Mit durchgängig eingestreuten „Zufälligkeiten“ in der Linienführung versuche ich, dem Bild meine persönliche Handschrift zu geben. Ich betone charakteristische Merkmale durch einen höheren Kontrast und klare Striche. Mein Ziel ist es, den Charme der einzelnen Gebäude bestmöglich zu unterstreichen. Ich freue mich sehr, dass auch meine Auftraggeber diesen Blick auf die Dinge haben und genieße die Gespräche bei der persönlichen Übergabe der Werke.

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