Warum ich blaue Kühe male

Als ich bei freier Themenwahl im Kunstunterricht der Mittelstufe immer nur Norddeutsche Landschaft mit heimischen Wildtieren gemalt habe, sagte mein Kunstlehrer irgendwann einmal zu mir: „Mal‘ doch mal einen blauen Hirsch!“ Habe ich natürlich nicht gemacht. Wo kämen wir denn da hin? Nein, sowas ging für mich gar nicht. Meine Kunst war durch und durch Ausdruck meiner Liebe zur Natur und die sollte bitteschön realistisch und genauso ästhetisch und würdevoll auf meinen Bildern dargestellt werden, wie sie in meinen Augen war.

Das hatte allerdings zur Konsequenz, dass „Matschbraun“ und „Natooliv“, wie sich mein Kunstlehrer ausdrückte, die vorherrschenden Farben meiner in der Klasse vorgestellten Bilder waren. Das stand im harten Kontrast zu seinen eigenen Werken, die er in reinen Spektralfarben, vorzugsweise in pulsierenden Rot- und Gelbtönen, schuf und als „informelle, ungegenständliche und automatistische Malerei“ einem internationalen Publikum präsentierte. Es hat ihn jedoch nie davon abgehalten, mir die meine gesamte Schulzeit begleitende 1 in Kunst zu geben. Damals für mich selbstverständlich, finde ich das aus heutiger Sicht immerhin bemerkenswert. Danke, Klaus!

Auch in den folgenden Jahren musste in meinen Bildern noch immer jede Farbe „gebrochen“ sein, also mit der Komplementärfarbe in Richtung grau bewegt werden. Das entsprach einfach den Eindrücken, die ich bei meinen Streifzügen durch die Natur tief verinnerlicht hatte. Das von mir beobachtete Wild kam schließlich zumeist in der Dämmerung in Anblick und so beherrschten gedeckte Farben und getrübte Sicht fast alle meine Bilder:

Wildschweine bei Dämmerlicht in Wald und Moor. Die frühen Bilder spiegeln meine Naturerlebnisse wider.
Schneelandschaften mit Fuchs, Waldkauz oder Wildschwein haben seit 25 Jahren ihren festen Platz in meinem Repertoire.

Insbesondere aus Jägerkreisen habe ich viel Zuspruch für meine Bilder erfahren. Die Stimmung der Landschaft am frühen Morgen oder späten Abend und die Spannung beim Anblick von Wildtieren prägen sich ein. Irgendwann wollte ich dann aber doch mal wissen, wie es sich anfühlt, mit klaren Tönen und einem breiteren Farbspektrum zu malen.

Neue Pfade erkunden

Weil das Brechen mit Gewohnheiten immer Überwindung kostet, habe ich hierfür einen neuen, übertriebenen Ansatz gewählt. Vielleicht auch, weil ich mich noch immer nicht zu einem blauen Hirsch durchringen konnte… Jedenfalls kommen jetzt die Kühe ins Spiel. Durch die charakteristische Scheckung, die Schwarzbunte und Rotbunte von Hause aus mitbringen, fiel mir der Schritt zu einem ebenso kontrastreichen Hintergrund leichter. Da ich mich voll und ganz auf die Wirkung von Farben zueinander konzentrieren wollte, habe ich zudem geometrische Formen gewählt, die ich wunderbar einzeln bearbeiten konnte.

Meine blauen Kühe in farbenfroher Umgebung. Zum Farbauftrag habe ich das Palettmesser benutzt.

Wer hätte gedacht, dass es solch einen Spaß macht! Das ganze Bild habe ich zuerst in sehr dunklen Rottönen mit Acrylfarbe untermalt. Nach der Trocknung sind dann mehrere Schichten unterschiedlicher Ölfarbe in jedem der Felder zum Einsatz gekommen. Damit die Farbe an einigen Stellen abreißt und der Untergrund sichtbar bleibt, habe ich das Palettmesser zum Aufspachteln der Farbe benutzt. In gleicher Weise habe ich es kurz darauf mit einem weiteren Motiv gemacht: Zwei Zebras unterschiedlicher Farbwelten pflegen sich gegenseitig das Fell.

Im Aneinanderstoßen von Farben und deren gegenseitigen Wirkung aufeinander liegt auch bei diesem Zebrabild mein Interesse.

Mit meinen weiterhin gedeckten Ocker-, Blau- und Türkistönen bleibe ich natürlich noch weit von expressiven Extremfarben entfernt. Aber im Zusammenspiel mit Violett, Rosa und Grün ergründe ich für mich doch neue Pfade der Farbgestaltung. Auch die eine oder andere reine Farbe aus nur zwei Grundfarben schafft es auf die Bilder.

Was nehme ich daraus mit?

Einfach mal frei mit Farben zu experimentieren, macht mega Spaß. Ich bin fasziniert davon, wie sich die Wahrnehmung einer Farbe entwickelt, wenn ich die Nachbarfarben verändere. Kühle und warme Eindrücke, matte oder intensive Farben, hell und dunkel – alles nebeneinander und auch übereinander ergibt ein sich immer wieder neu formendes Ganzes. Aber welche Erkenntnisse ziehe ich hieraus und vor allem – wie übertrage ich das auf die Motive, die ich ja eigentlich realitätsnah malen will?

Zebras in der Morgensonne. Neben meinen geliebten Ockertönen ist das Bild durchzogen mit Violett, Türkis, Rosa und einem hellen Smaragdgrün. Das erzeugt insgesamt ein Pulsieren des Lichts.

Zugegeben – wie alle Transferaufgaben, ist auch die Übertragung der neuen Farberfahrung auf die bisher gewohnte Arbeitsweise eine Herausforderung. Allzu schnell falle ich zurück in alte Muster und verwende Farben, von denen ich „weiß“, dass sie da sein sollten (grüne Bereiche enthalten grüne Farben, blaue Bereiche blaue). Was ich anstrebe, ist aber der Einsatz ganz unterschiedlicher Farben nebeneinander, sodass sich zwar insgesamt der „richtige“ Farbeindruck einstellt, jedoch durch ein pulsierendes Miteinander leuchtender Farben.

Am Bild der beiden Zebras wird vielleicht sichtbar, was ich meine – auch wenn die Kamera es schwer hat, alle Farbnuancen abzubilden. Anstatt ein durchgehendes Blaugrau für die Schattenseite des weißen Fells zu verwenden, wechseln sich hier alle Farben ab, die auch sonst im gesamten Bild vorkommen: Neben einem hohen Anteil von Violett schimmern Türkis und Smaragdgrün neben zarten Rosatönen.

Auch bei dieser alten Feldscheune habe ich besonderes Augenmerk auf die Farbigkeit gelegt. Auf der Schattenseite verwende ich klare Blau- und reine Violett-Töne. Das kleine Ölbild ist von 2021, die Skizze dazu aus den Neunzigerjahren.

Die neue Herangehensweise des Malens macht mir Spaß, bleibt aber eine echte Aufgabe. Bei jedem Bild setze ich für mich unterschiedliche Schwerpunkte, auf die ich besonderen Wert legen möchte. Doch es gibt so viele Aspekte, auf die ich mich stürzen kann.

Ein Bild, bei dem am Ende einfach alles stimmt, habe ich noch nicht gemalt. Es gibt also noch genug für mich zu tun…

Manche meiner hier im Artikel vorgestellten Bilder kannst Du erwerben – schau hierzu in die Galerie.

5 Kommentare zu „Warum ich blaue Kühe male“

  1. Lieber Philipp!
    Ich bin begeistert von Deiner Schaffenskraft und ausführlichen Beschreibung Deiner Kunst!
    Die blauen Kühe und die anderen farbigen Tierdarstellungen gefallen mir sehr gut, vor allen
    Dingen auch deshalb, weil Du Deinen Malvorgang dem Betrachter so genau schilderst.
    Ohne Dich davon beeinflussen zu lassen,schau Dir mal die farbigen, expressiven
    Tierdarstellungen von Franz Marc an.
    Vielen Dank für die Erinnerung an den früheren Kunstunterricht!
    Falls Du mal in der Nähe von Zeven, bzw. Badenstedt sein solltest, dann besuche uns, meine Frau und ich haben hier eine Galerie mit unseren Arbeiten.
    Weiterhin frohes Schaffen und herzliche Grüsse, auch an Deine Familie,
    Klaus

    1. Lieber Klaus,
      es ist wunderbar, dass sich aus diesem Artikel ergeben hat, dass wir 25 Jahre nach unserer letzten gemeinsamen Unterrichtsstunde nun spontan miteinander telefoniert haben! Ich danke Dir sehr für die motivierenden Worte und Deine Einladung in Eure Galerie – ich komme sehr gerne!
      Herzliche Grüße
      Philipp

    2. Liebe Hannelore, lieber Klaus,
      im November war ich bei Euch in der Galerie Klaus & Hannelore Bierkardt zu Gast und habe staunend zwischen Euren großformatigen und farbintensiven Werken gestanden. Es war ein wunderbarer Nachmittag für mich! Habt vielen Dank für Eure Gastfreundschaft und die tollen Gespräche über meine, Eure und die Kunst der Welt.
      Herzliche Grüße
      Philipp

  2. Die stimmungsvollen Bilder aus dem Bereich der Jagd liegen mir doch näher, doch die Farbgestaltungen mit den Kühen und den Zebras haben auch ihren Reiz. Dein Austesten der Möglichkeiten zeugt von deiner künstlerischen Kreativität.

    1. Dankeschön! Für mich ist es eine gute Möglichkeit, mich ein wenig weiterzuentwickeln. Man bleibt doch allzu leicht in seiner gewohnten Art, Bilder zu malen. So hoffe ich, dass auch meine jagdlichen Motive von meinen künstlerischen Exkursionen in farbige Welten profitieren, weil ich meinen Blick auf die Farben und ihre Wirkung schärfe.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert