Es sind archaische Gefühle, die meinen Körper durchströmen, wenn ich einer großen Raubkatze gegenüberstehe – auch wenn ich diese Situation bislang stets getrennt durch Panzerglas oder einen Wassergraben in zoologischen Gärten erlebt habe. Selten ist die Stimmung dabei auf der anderen Seite so gespannt wie meine. Für mich aber ist eine solche Begegnung immer eine Phantasieanregung: Wie würde es sich anfühlen, wenn wir zwei Lebewesen uns unter anderen Umständen auf diesem Planten über den Weg liefen?
Dass mich Raubtiere schon immer fasziniert haben, habe ich Dir im Artikel Vom Fuchs zum Löwen erzählt. In meinen Bildern der Kindheit hatten deshalb immer auch Löwen ihren Platz. Nach dem mir selbst auferlegten Grundsatz „male nur das, was du aus eigener Erfahrung gut kennst“, teilten Löwen, Leoparden und Geparde allerdings schon bald dasselbe Schicksal wie alle anderen Tiere des afrikanischen Kontinents – ihre Motive verschwanden aus meinen Bildern und machten solchen mit Rehen, Füchsen und Wildschweinen Platz.
Über einen kleinen Umweg habe ich dann mit Mitte 30 aber zum Glück doch wieder zu den Tieren der Savanne zurückgefunden. Zwei Umständen habe ich das zu verdanken:
Da war zum einen mein Wunsch, Licht und Schatten mit klaren, leuchtenden Farben darzustellen. Über meine Idee mit den blauen Kühen bin ich so auch auf Afrikamotive gekommen, denn wo wenn nicht dort kann man wilde Tiere auch im strahlenden Sonnenschein realistisch darstellen? Bei meinen Wildschweinbildern hatte ich mich genau damit immer recht schwer getan – vielleicht war es unterbewusst aber auch nur eine Ausrede für meine geliebten Dämmerungsbilder… 😉
Zum anderen gab mir die Verwendung von Pastellkreide plötzlich die Möglichkeit, detailreiche Tierstudien zu zeichnen. Die Frage der Landschaftsgestaltung hatte sich damit erledigt. Die neue Freiheit, mich einfach nur auf das Tier zu konzentrieren, hat mich schnell zu den Löwen geführt. Und hier sind sie:
Sind sie nicht beeindruckende Geschöpfe? Was mir beim Zeichnen von Löwen besondere Freude bereitet, ist übrigens der Kontrast im Fell. Nun denkt man bei Kontrasten wohl eher an Tiger oder Leoparden, aber tatsächlich liebe ich die feinen Nuancen, die sich bei Löwen überall im Fell finden lassen. Der hellere Bauch und die Innenseite der Beine, die nie ganz verschwundenen Babyflecken und natürlich die weißen und dunklen Partien am Kopf. Bei so vielen Stellen lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Wenn dann noch Farbe mit ins Spiel kommt, wird es nochmal interessanter – das zeige ich Dir in meinem Blogartikel Dieses Mal mit Ölfarbe: Löwen!
Ob sich die Wissenschaft inzwischen einig ist, dass die weißen Partien um die Augen als Restlichtverstärker bei der Nachtsicht dienen? So oder so verleihen diese charakteristischen Abzeichen jedem Löwen noch einmal mehr Ausdruck. Für eine Zeichnung ist das ein echtes Geschenk. Der Wechsel aus knappem, samtigem Fell und solchem mit langen Strähnen hin zu den herausstechenden Tasthaaren macht natürlich auch Spaß beim Zeichnen.
Wenn die genannten Merkmale dieser Großkatzen bereits eine top Besetzung für eine gelungene Vorstellung abgeben – die Augen als Hauptdarsteller stellen noch mal alles andere in den Schatten! Soviel Ausdruck in einem Blick. Die Augen der jungen Löwin im nächsten Bild sind ein gutes Beispiel.
Während ich das hier schreibe, wird mir immer klarer: Ich muss unbedingt mehr Löwenbilder zeichnen. Da gibt es noch so viel Spannendes darzustellen… Mein abschweifender Blick trifft bei diesen Gedanken plötzlich den eines echten Raubtieres – und das hat Hunger! Die Raubtierfütterung steht an und danach ein Spaziergang durch die sommerdürre Savanne unseres Dorfrandes. Schauen wir mal, was Adele und ich da im Abendlicht so erleben werden…
Viele meiner hier im Artikel vorgestellten Bilder kannst Du erwerben – schau hierzu in die Galerie.